[lug-ld] S) Händewaschen hinterher und mehr

Pahle Heinz heinz.pahle at gmx.de
Fr Nov 4 10:22:32 CET 2022


Liebe LUGer,

ich amüsiere mich immer wieder, wenn von der quelloffenen Gemeinschaft
Windows bzw. Microsoft, aber auch Apple „attackiert“ oder „nur“
belächelt werden. Ok, der Händewaschen-nach-Pinkeln-Text von Alexander
ist ja lieb geschrieben und überhaupt nicht böse.
Man kann jetzt aber doch einmal nachdenken, wie es mit den Firmen der
nicht quelloffenen Software und der Linux-Gemeinschaft in Zukunft
weitergehen kann, bzw. wird.

Als Informatiker alter Tage (im wörtl. Sinne) stelle ich mir die Frage,
ob zukünftig überhaupt noch Informatiker gebraucht werden, um die
Kundschaft in ihren IT-Belangen zu unterstützen und das noch
unabhängig(!) von den Betriebssystemen. Informatiker als System- oder
App-Entwickler nehme ich hier aus, wobei das aber ein winziger Anteil
dieser Berufsgruppe ist. Ich meine und begründe in der Folge: „Normale“
Informatiker können/werden das gleiche Schicksal erleiden, wie Heizer,
als Diesel- oder später E-Loks aufkamen.

Hilfreich ist eine Rückblende, z.B. 44 Jahre, um zu sehen wie rasant die
Entwicklung bisher lief und wie die mit großen Schritten weitergehen
kann. Was wird in weiteren 44 Jahre sein? Die jungen LUGer sind zu
dieser Zeit dann wahrscheinlich im Ruhestand. Jetzt erst Rückblende: Vor
44 Jahren lötete ich mein erstes kleines Mikroprozessorsystem zusammen.
Taktfrequenz, Adressumfang auf heute bezogen winzig und nur 8-Bit
Datenbreite. Konsole war ein ausrangierter Fernschreiber mit
Lochstreifenleser/-stanzer, also nicht einmal ein Bildröhren-Monitor.
Externspeicher war ein Kassettenrekorder (300 Baud, 2 Pfeiftöne), wobei
wenigstens das Modem wieder selbst aufgebaut wurde. Weil zuhause
Papertapesoftware schlecht zu realisieren war, wurden Assembler und
Editor in der Firma in EPROMs gebrannt, Fassungsvermögen/Teil 256x8(!).
Die EPROMs waren im Adressraum zugreifbar. Soweit „damals“. Generelle
Zustimmung?! Ohne Zweifel, in den vergangenen 44 Jahren hat sich
Gewaltiges getan und es wird wenigstens linear so weiter gehen.

Wie geht es nun aber weiter?
In der Folge meine Mutmaßung, warum zukünftig keine üblichen und dazu
viele Informatiker mehr gebraucht werden: Die Giganten IBM, Microsoft,
Apple, etc. werden sich nicht mehr mit Betriebssystemen vor Ort
herumschlagen, mit allen Problemen der Installation, Wartung und
Schulung. Das brauchte bisher einige Unterstützung der IT-Konsumenten
und dazu eben viele Informatiker.
Wahrscheinlich werden zukünftig auf „dicken“ Linux(!)-Servern alle
Applikationen (bis hin zu riesigen Business-Softwarepaketen) aller
Anwender laufen und das weltweit. Die Großen der Branche werden nur noch
Apps anbieten, die vom Konsumenten per zeitlicher Taktung bezahlt werden
müssen. Abgerechnet wird alles, auch eine kleine geschriebene Notiz.

Und was ist mit den Geräten vor Ort, heute sind es noch Personal
Computer, die eben immense IT-Betreuung erfordern? In den Geräten vor
Ort von morgen wird eine kleine Software laufen, wie in der Zukunft auch
(zum automatischen Bestellen?!) in Kühlschrank, Waschmaschine, etc. Es
muss eigentlich nur ein Browser sein, der übers Internet an einen Server
andocken kann. Gut, die Grafik sollte auch stimmen. Alle aktuellen
Betriebsdaten der (z.B. Haushalts-)Geräte sind nicht mehr vor Ort
vorhanden (nur Defaultwerte), sondern lagern upgrade fähig auf einem
Server (ist sogar heute schon der Fall, z.B. eine VoIP-Telefonzentrale).
Nicht nur die Gerätebetriebsdaten, auch alle Anwenderdaten befinden sich
in einer Cloud, wie heute schon weitgehend fortgeschritten.
Totale Vereinfachung: Die „Kiste“ vor Ort geht oder versagt auch mal
ihre Dienste. Ist letzteres der Fall kommt per Lieferdienst einfach
Ersatz, Rücksendung des „Patienten“ erfolgt, der wahrscheinlich
ausgeweidet und nicht einmal repariert wird. Fachleute vor Ort – total
überflüssig.
Dazu kann man Hilfen (z.B. wie baue ich eine Datenbank auf) für die User
kostengünstig via web beziehen. Wer das nicht kann, fällt durchs Raster.
Das gab es alles schon mal. Es mussten ja Sekretärinnen, startend bei
der mechanischen Schreibmaschine, quasi Schriftsetzerei(!) lernen (war
oft eigenes, also privates Problem, das z.B. per VHS gelöst wurde).
Vielleicht wird zukünftig die Zeit der Fortbildungs-Institute kommen,
die dann aber privaten Zulauf haben werden (quasi outsourcing in Sachen
Aus-/Fortbildung).

Peripherie, wie Drucker und Scanner kann man sich sparen, weil dann
alles papierlos geht. Und wenn dann doch etwas gescannt werden muss,
nimmt man das Smartphone.

Daher meine ich, dass die heutigen Späße, Spötteleien, aber auch eine
gewisse Überheblichkeit in Sachen Betriebssystem vor Ort in nicht mehr
langer Zeit Schnee von gestern sind, denn unabwendbar gilt: panta rhei.
Das im Hinterkopf zu behalten – das wäre nicht schlecht, wobei ich jedem
Menschen seine momentane Art zu Späßen etc. gönne – seiner seelischen
Gesundheit wegen.

Gruß Heinz



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